In der Ordination treffe ich oft Patientinnen und Patienten, die berichten, dass sie vor den Augen schwebende Mücken, Fäden oder kleine Pünktchen sehen. Manchmal erwähnen sie auch Lichtblitze in der Dämmerung. Diese Erscheinungen stehen meist im Zusammenhang mit einer Glaskörperabhebung. Der Glaskörper ist eine gelartige Substanz, die den Innenraum des Auges füllt und im Laufe der Jahre an Elastizität verliert. Das ist ein normaler Vorgang und in den meisten Fällen harmlos. Bei manchen Menschen verläuft dieser Prozess jedoch komplizierter und kann zu einem Riss oder einer Netzhautablösung führen einem ernsten Zustand.
In solchen Fällen beschreiben Betroffene häufig das Gefühl, als würde sich ein „Vorhang“ über ihr Auge senken. Anfangs zeigt sich nur ein kleiner Schatten, der sich mit der Zeit ausbreitet und immer mehr vom Gesichtsfeld verdeckt. Da eine Netzhautablösung keine Schmerzen verursacht, glauben viele anfangs, dass es von selbst wieder vergeht. Manche kommen rechtzeitig zur Untersuchung, andere leider zu spät, wenn das Sehvermögen bereits dauerhaft geschädigt ist.
Wenn sich die Netzhaut ablöst
Die Netzhaut ist eine dünne Schicht lichtempfindlicher Zellen an der Rückwand des Auges. Ihre Aufgabe ist es, Licht in elektrische Signale umzuwandeln, die zum Gehirn weitergeleitet werden. Wenn sich diese Schicht von der sie ernährenden Unterlage ablöst, beginnen die Zellen abzusterben.
Am häufigsten entsteht eine Netzhautablösung durch einen Riss, durch den Flüssigkeit aus dem Glaskörper unter die Netzhaut gelangt und sie anhebt. Das Risiko ist erhöht bei starker Kurzsichtigkeit, nach Verletzungen oder Stößen, nach bestimmten Augenoperationen oder bei Menschen mit angeboren dünner und empfindlicher Netzhaut.
Oft fragen mich Patientinnen und Patienten, warum gerade sie betroffen sind ob sie vielleicht zu lange am Computer gesessen, gelesen oder schwere Gegenstände gehoben haben. In Wahrheit verursacht keiner dieser Faktoren eine Netzhautablösung. Meist handelt es sich um eine Kombination aus anatomischen Gegebenheiten, altersbedingten Veränderungen und manchmal einfach um Zufall.
Warnzeichen rechtzeitig erkennen
Da eine Netzhautablösung schmerzlos verläuft, ist es wichtig, die Warnzeichen zu kennen. Dazu zählen plötzliche Lichtblitze, die vor allem im Dunkeln auffallen, neu auftretende schwebende Punkte oder Mücken sowie ein Schatten oder Vorhang, der sich über einen Teil des Gesichtsfelds legt.
Ich erkläre meinen Patientinnen und Patienten oft auch den Unterschied zwischen diesen Symptomen und einer Migräne-Aura. Bei einer Migräne handelt es sich um eine vorübergehende Sehstörung, die meist zehn bis zwanzig Minuten anhält und dann verschwindet. Bei einer Netzhautablösung bleibt der Vorhang bestehen und kann sich allmählich ausbreiten. Das ist der Moment, in dem ich rate, sofort zur Untersuchung zu kommen nicht erst in einer Woche oder zwei.
Wie die Untersuchung abläuft
Die Diagnose wird durch eine gründliche Untersuchung des Augenhintergrundes gestellt. Dafür verwende ich stets pupillenerweiternde Tropfen, um die Netzhaut vollständig beurteilen zu können. Wenn eine Blutung im Auge die Sicht auf den Augenhintergrund behindert, führe ich zusätzlich eine Ultraschalluntersuchung durch. Falls nötig, erfolgt auch eine OCT-Untersuchung, mit der ich genau feststellen kann, ob der zentrale Teil der Netzhaut, die sogenannte Makula - bereits abgelöst ist. Wenn die Makula betroffen ist, ist die Prognose schlechter: Das Sehvermögen erholt sich in der Regel nicht vollständig, selbst nach einer erfolgreichen Operation.
Rechtzeitige Behandlung kann das Sehvermögen retten
Die einzige Möglichkeit, die Netzhaut wieder an ihre ursprüngliche Position zu bringen, ist eine Operation. Meist wird eine Vitrektomie durchgeführt dabei wird der Glaskörper entfernt, der Riss mittels Laser oder Kältebehandlung abgedichtet und Gas oder Öl in das Auge eingebracht, um die Netzhaut wieder anzulegen. In manchen Fällen erfolgt der Eingriff auch von außen, wobei ein kleiner Silikonring (sogenannter „Buckel“) die Netzhaut mechanisch stützt. Kleinere Risse können gelegentlich nur mit einer Gasinjektion behandelt werden, das betrifft jedoch nur begrenzte Fälle.
Nach der Operation empfehle ich stets Ruhe und eine Kopfhaltung mit dem Gesicht nach unten, damit die Gasblase den richtigen Druck auf die Netzhaut ausübt. Die Heilung dauert einige Wochen, das Auge bleibt in dieser Zeit empfindlich, doch die meisten Patientinnen und Patienten überstehen diese Phase gut.
Fazit
Eine Netzhautablösung kann nur dann erfolgreich behandelt werden, wenn sie rechtzeitig erkannt wird.
Daher betone ich immer: Wenn plötzlich Lichtblitze, schwebende Trübungen oder ein dunkler Vorhang im Gesichtsfeld auftreten nicht abwarten! Eine frühzeitige Untersuchung kann darüber entscheiden, ob Ihr Sehvermögen erhalten bleibt oder dauerhaft geschädigt wird.
Im Auge kann sich der Vorhang rasch senken doch mit rechtzeitigem Handeln lässt er sich erfolgreich wieder heben.
